ABT wird mit TT geschrieben
Selbst ein mäßig talentierter Zeichner kann einen VW Käfer, eine Ente, einen Mini Cooper, einen Neunelfer mit wenigen Strichen so zu Papier bringen, dass die Autos erkannt werden können. Markante Linien, minimalistische Formen – so werden Autos zu Designikonen. Der Audi TT ist so eine Designikone. Vor 25 Jahren auf den Markt gekommen und noch immer zeitlos attraktiv. Die Geschichte des TT beginnt in den 90er-Jahren. Der Vorstand wünscht sich ein „Sportwagenkonzept mit hohem Nutzwert“. Eine Antwort auf die umjubelten Einsteigertraumwagen BMW Z3 und Mercedes SLK. Audi-Chefgestalter Peter Schreyer gibt seinem Team im kalifornischen Designzentrum großzügige künstlerische Freiheiten. Das setzt viel Kreativität und Energie frei. Der US-Amerikaner Freeman Thomas bringt die Grundform im Mai 1994 als Skizze zu Papier. Ein stilistischer Volltreffer. Wenig später entstehen erste Modelle im Maßstab 1:4. Die herausgezogenen Radläufe haben einen ebenso hohen Wiedererkennungswert wie die Frontpartie mit übergreifender Motorhaube sowie dominanten Scheinwerfern und der runde Po. Wohl nicht zufällig erinnern einige Elemente an VW Käfer und Porsche 911.
Piëch ist begeistert
Konzernchef Ferdinand Piëch gefällt, was er sieht. Er habe sich sofort in das Projekt verliebt, erinnert sich der für die Linien des späteren Serien-TT federführende Audi-Designer Romulus Rost in einem Gespräch mit dem Spiegel. Der Segen von ganz oben gibt der Entwicklung weitere Schubkraft. Bei Giorgetto Giugiaros Karosseriestudio Italdesign werden ab April 1995 unter Hochdruck und unter maximaler Geheimhaltungsstufe fahrfähige Prototypen aufgebaut, ein Coupé und ein Roadster. Wenige Stunden vor Eröffnung der IAA in Frankfurt rollt Audis Sportwagenvision auf eigener Achse durchs Messetor: das „Audi TT Concept“. Eine spektakuläre Premiere. Unter viel Applaus für die ebenso ungewohnte wie markante Optik mischt sich aber auch bissige Kritik. „Panzerspähwagen“ mäkeln einige, andere sehen in dem TT die Reinkarnation des 20er-Jahre-Kleinwagens Hanomag Kommissbrot. Die Auto Bild vergleicht die Studie mit einem Alessi-Toaster. Die Audi-Oberen lassen sich durch diese Seitenhiebe nicht aus dem Tritt bringen.
Im Gegenteil: Die hausinterne Begeisterung ist so groß, dass der Audi-Vorstand schon wenige Wochen nach der IAA-Premiere das Startsignal gibt, das markante Konzept-Fahrzeug weitgehend unverfälscht zum Serienauto weiterzuentwickeln. Die vom IAA-Schaustück ausgelöste Euphorie ist sogar so groß, dass darauf verzichtet wird, die damals üblichen drei Designalternativen zu entwerfen. Die Entschlussfreudigkeit zahlt sich beim Tempomachen ebenso aus wie der Griff in den Teilebaukasten des Konzerns. Als technische Basis wird auf die Kompaktwagen-Geschwister Audi A3 und Golf IV zurückgegriffen. 1998, also vor 25 Jahren, wird der Serien-TT in den Markt eingeführt, der parallel stets mitgedachte und mitentwickelte Roadster folgt ein Jahr später.
Der für Audi ungewöhnliche Name mit zwei Buchstaben knüpft an die konzerneigene Motorsporthistorie an. Genauer gesagt an die Erfolge der in den 70er-Jahren vom Markt verschwundenen Marke NSU. Die feiert bis in die 50er-Jahre hinein große Erfolge mit Rennmotorrädern bei den berühmten Tourist-Trophy-Wettkämpfen in Großbritannien, kurz TT. In den 60er-Jahren taucht das Kürzel auf den giftzwergigen Tourenwagen auf Basis des NSU Prinz auf. Dies sind auch die ersten TTs, derer sich Johann Abt leistungssteigernd annimmt. Die Audi-Werbung übersetzt das Kürzel hingegen mit „Tradition und Technik“.
Der anfangs alleinig bestellbare 1,8-Liter-Turbovierzylinder sorgt mit seinen zunächst 180 PS respektive 225 PS im quattro-Topmodell für respektablen Schub – auch in der Käufergunst. Die Nachfrage nach dem flotten Sportwagen übersteigt die kühnsten Erwartungen. Gerade auch im wichtigen US-Markt. Um die Nachfrage zu befriedigen, wird die Produktionskapazität schnell von 40.000 auf 50.000 erhöht. Das vier Meter lange Rundstück geht weg wie geschnitten Brot.
Der TT weckt aber nicht nur durch sein markantes Äußeres Begehrlichkeiten, auch der Innenraum ist ein Blickfang. Hier gestalteten die Designer ebenfalls nach dem Grundsatz: „So viel wie nötig und so wenig wie möglich.“ Die kreisrunden Luftausströmer, der kugelige Schaltknauf und die an den Rennsport erinnernden Haltegriffe am Mitteltunnel setzen starke Akzente. Zum unverkennbaren TT-Markenzeichen werden aber die tabakfarbenen Ledersitze mit der prägnanten Ziernaht im Stile eines Baseballhandschuhs.
Selbst als einige frühe TT-Exemplare auf schnellen Autobahnkurven auf bis heute unerklärliche Weise abfliegen, kratzt das nur oberflächlich am Image des Autos. Audi verpasst dem kopflastigen 2+2-Sitzer einen kleinen Heckspoiler auf seinen sexy Po, strafft das Fahrwerk und überführt das vorher aufpreispflichtige ESP in die Serienausstattung. Das Maßnahmenpaket wirkt. Der Ab- wird wieder zum Überflieger
ABT adelt den TT zum echten Sportwagen
Auch wenn Audi die Leistung des kleinen Turbovierzylinders sukzessive steigert und das Fahrwerk strafft: Für den sportlichen Ritterschlag des TT sorgt ABT. 1999 sagen die Kemptener mit einer 265 PS starken Breitbauversion Namens TT-R dem Porsche 911 den Kampf an. 2000 zündet ABT die nächste Stufe und schickt den TT auf die Rennstrecke – in einer geradezu tollkühnen Mission. Der in nur 100 Tagen auf die Räder gestellte 450-PS-V8- Bolide auf TT-Basis soll die Werksteams von Mercedes und Opel in der wiederbelebten DTM ärgern. Mit dem Meistertitel 2002 von Laurent Aiello vergoldet ABT die Mission.
ABT teilt die Freude über seine großen Erfolge in der ersten Tourenwagenliga mit seiner Kundschaft in Form von limitierten Sondereditionen: 2000 erscheint der Abt-Audi TT-R limited I (250 PS) und 2002 die limited-Version II (265 PS) – beide im knallgelben DTM-Look. Einmal mehr wird deutlich: ABT nutzt den Motorsport nicht nur als Highspeed-Schmiede für technische Entwicklung, sondern eben auch als Marketinginstrument.
Tuning-Urvater Johann Abt hat es bei AUTO-ABT einst vorgemacht, die nächste Generation optimiert das Prinzip. Dieses „Win on Sunday, sell on Monday“-Doppelpass-Spiel – wofür der TT als Paradebeispiel steht – ist ein Schlüsselelement beim Aufstieg von ABT Sportsline zum weltweit größten Fahrzeugveredler für die Marken des Volkswagen-Konzerns.
Auch Daniel Abt ist vom TT sofort begeistert. „Ich kam gerade in die Schule, als mein Vater mit seinem Team das Fahrzeug für die DTM entwickelte. Mit großen Augen stand ich oft in der Werkstatt und löcherte die Männer mit meinen Fragen: Wie schnell wird er werden? Wie viele PS hat er? Was wiegt er?“ Für Hans-Jürgen Abts Sohn wird der TT zu seinem ersten Traumwagen: „Mir gefiel von Anfang an die kompakte Form, die Sportlichkeit und Eleganz verband.“
Die nächsten TT-Generationen
2006, im Jahr des deutschen Fußball-Sommermärchens, bringt Audi die zweite TT-Generation an den Start. Das Design wird ebenso Richtung Sportwagen gestrafft wie das Fahrwerk. Basis bleiben aber die technischen Zwillinge A3 und VW Golf, wenngleich auch hier in der nächsten Evolutionsstufe. Der serienmäßige Leistungsgipfel der Modellreihe wird 2012 mit dem 360 PS starken Fünfzylinder erreicht. ABT legt hier noch eine große Schippe drauf: Bis zu 470 PS stehen im Datenblatt der Kemptener – mehr als noch vor wenigen Jahren im DTM-Rennwagen.
Die 2014 gestartete dritte TT-Generation orientiert sich an der DNA der beiden Vorgänger, fällt aber nochmals knackiger aus. Typische TT-Erkennungsmerkmale wie der runde Tankdeckel mit dem geprägten Doppelbuchstaben, die runden Luftausströmer, die Einfassung der Schaltkulisse und der markante Schaltknauf bilden weiter die gestalterische Klammer zum Urmodell. Audi serviert seinen Kunden nunmehr 400 PS. ABT legt parallel abermals nach. Bis zu 500 PS offerieren die nimmersatten Kemptener. Damit sind 300 km/h Spitze und 3,6 Sekunden für den Sprint auf 100 km/h möglich. Was die Tester der auto motor und sport aber fast noch mehr verblüfft: Trotz der enorm gesteigerten Leistung und Fahrwerte verbraucht der Allgäuer TT 0,8 Liter Treibstoff weniger als die Serienversion.
Schlussakkord einer Erfolgsgeschichte
Den 25. Geburtstag seines TT feiert Audi mit der europaweit auf 100 Stück limitierten „iconic edition“ auf Basis des 400 PS starken TT RS. Es ist auch eine Art Schlussakkord, denn das Modell läuft Ende des Jahres aus. Aber wie heißt es so schön: Totgesagte leben länger. Und vielleicht erlebt der TT in elektrisierter Form eine Auferstehung. Genug Fans gäbe es weltweit sicherlich. Aber ob die TT-Story nun irgendwann weitergeht oder nicht – für ABT Firmenchef Hans-Jürgen Abt steht schon jetzt fest: „Der TT bedeutete für uns einen wahren Quantensprung und behält deshalb einen ganz besonderen Stellenwert für ABT.“ Das ist doch ein schöner Gruß zum Geburtstag. Happy Birthday, TT.