Vorangegangen waren zwei intensive Renntage auf dem einzigen Stadtkurs der DTM. Schon im Freien Training am Freitag deutete sich an, dass die beiden Ferrari des Teams Red Bull AlphaTauri AF Corse auch auf dem Norisring klar im Vorteil sein würden. Der Einzige, der Tabellenführer Liam Lawson im Qualifying gefährden konnte, war Kelvin van der Linde, der sich für beide Rennen den zweiten Startplatz sicherte. Im ersten Qualifying fehlten ihm allerdings fast zwei Zehntelsekunden – auf dem nur 2,3 Kilometer kurzen Norisring eine kleine Welt.
Entsprechend viel Risiko musste Kelvin van der Linde in beiden Rennen gehen. Der Südafrikaner setzte alles auf eine Karte und attackierte Liam Lawson jeweils in der ersten Kurve – beide Male mit Folgen.
Am Samstag bremste der ABT Pilot etwas zu spät, wurde in Kurve eins weit nach außen getragen und fiel auf Platz sieben zurück. Auch dank einer cleveren Strategie kam der Südafrikaner noch auf Rang vier nach vorn und einen Platz hinter Liam Lawson ins Ziel. Die Titelentscheidung war damit auf Sonntag vertagt.
Im zweiten Qualifying fehlten nur 41 Tausendstelsekunden zur Pole-Position. Wieder versuchte van der Linde, den Tabellenführer auf der besseren Innenbahn gleich zu attackieren. Weil er dabei Liam Lawson in Kurve eins abdrängte, musste er beim Boxenstopp eine 5-Sekunden-Zeitstrafe absitzen.
Trotz der Zeitstrafe kam van der Linde nach seinem Boxenstopp vor dem späteren Sieger und Champion Maxi Götz im Mercedes zurück auf die Strecke. Damit hätte er die Meisterschaft vor Götz beendet. Beim Versuch, sich auf kalten Reifen gegen ein Überholmanöver zu wehren, kam es ausgangs der Dutzendteich-Kehre zu einer Berührung der beiden Titelanwärter, die den linken Hinterreifen am ABT Audi R8 LMS aufschlitzte und die Titelträume endgültig platzen ließ.
Teamkollege Mike Rockenfeller hatte sich am Samstag kurz nach dem Start ebenfalls einen Reifenschaden eingefangen und das Rennen aufgegeben. Am Sonntag verpasste „Rocky“ bei seinem letzten DTM-Rennen für Audi das Podium als Vierter nur knapp. Das gesamte Team trug in der Startaufstellung Caps mit dem Schriftzug „Danke Rocky“.
Lucas di Grassi zeigte bei seinem zweiten Einsatz in der DTM, wie schnell er lernt. Der Brasilianer schaffte den Anschluss an seine Teamkollegen und hätte in beiden Rennen Top-Ten-Ergebnisse erzielen können. Am Samstag zögerte seine Crew den Pflichtboxenstopp zu lange heraus, weshalb di Grassi nachträglich auf Platz 15 zurückversetzt wurde. Am Sonntag drehte sich der Formel-E-Star nach einer Berührung mit Mike Rockenfeller in der hektischen Startphase. Obwohl er den Rückwärtsgang nicht gleich fand, wurde di Grassi noch Zwölfter.
Stimmen nach dem DTM-Finale auf dem Norisring
Thomas Biermaier (Teamchef Team ABT Sportsline): „Natürlich sind nach diesem Finale alle im Team sehr enttäuscht, dass Kelvin nicht Meister geworden ist. Aber wir haben den Titel nicht am Norisring verloren, sondern eigentlich schon vorher. Mit der Balance of Performance, dem Boxenstopp-Thema und einigen Schiedsrichter-Entscheidungen waren wir nicht immer auf der glücklichen Seite. Das alles hat dazu geführt, dass wir ein sehr hohes Risiko eingehen mussten – an der Box genauso wie auf der Strecke. Es war eine tolle Teamleistung, dass wir trotzdem bis zum letzten Rennen um die Meisterschaft kämpfen konnten. Kelvin war fahrerisch auf dem Audi R8 LMS in diesem Jahr eine Klasse für sich, und das Team hat nie aufgegeben. Trotz der Enttäuschung wird heute Abend gefeiert. Ich bin stolz auf die ganze Truppe, die sich im ersten Jahr mit den GT3-Autos so gut geschlagen hat. Glückwunsch an Maxi Götz und Mercedes zum Fahrertitel. Und natürlich auch an Red Bull AlphaTauri AF Corse zum Gewinn der Teammeisterschaft. Sie sind eine Bereicherung für die DTM und haben eine starke erste DTM-Saison gezeigt.“
Kelvin van der Linde (ABT Audi R8 LMS #3): „Glückwunsch an Maxi Götz zum DTM-Titel. Es war ein spannender Titelkampf, und er ist ein verdienter Meister. Unsere Berührung kurz vor Rennende, die zum Reifenschaden geführt hat, war hartes Racing und für mich Pech. Ich denke, die Fans am Norisring haben eine Menge erlebt: Es war ein verrücktes Finale. Ich musste in Kurve eins in beiden Rennen alles riskieren, weil wir sonst keine Chance gehabt hätten. Ich kann verstehen, dass Liam enttäuscht ist. Aber ich war an beiden Tagen überrascht, dass er sich so sehr gewehrt hat. Er hatte einen großen Punktevorsprung und das schnellste Auto. Am Ende hat keiner von uns gewonnen, und Maxi war der lachende Dritte. Es sind viele Dinge in dieser Saison passiert, die dazu geführt haben, dass wir unser ganz großes Ziel nicht erreicht haben. Trotzdem kann jeder im Team stolz sein. Meine Jungs haben mir jedes Mal ein tolles Auto hingestellt. Vielen Dank dafür! Wir haben bis zum Schluss gekämpft. Und nächstes Jahr greifen wir wieder an.“
Mike Rockenfeller (ABT Audi R8 LMS #9): „Ich hätte mir insgesamt mehr Podien, mehr Punkte und auch einen Sieg gewünscht. Ich konnte mich über das Jahr zumindest mit dem Auto anfreunden. Ich hatte mit ABT ein mega Team, jeder kann stolz sein: Alle haben zusammengehalten und bis zum Ende gekämpft. Ich hätte bei meinem letzten Rennen mit Audi gerne ein Podium geschafft. Das habe ich knapp verpasst. Aber es gab vom Team ein paar schöne Geschenke und Überraschungen. Das zeigt, wie die Menschen im Allgäu und das ganze Team ticken. Das hat mich sehr gefreut und berührt.“
Lucas di Grassi (ABT Audi R8 LMS #37): „Die beiden Wochenenden mit ABT in der DTM waren ein großartiges Erlebnis. Im ersten Rennen in Hockenheim wusste ich noch nicht, was ich tue. Beim letzten Rennen auf dem Norisring konnte ich mit den schnellsten Audi-Fahrern mithalten. Ich bin sehr zufrieden, wie wir uns gesteigert haben. Leider gab es keine zählbaren Resultate. Aber wir haben gezeigt, dass ich auch in der DTM schnell sein kann. Für Kelvin tut es mir sehr leid: Er hätte den Meistertitel verdient gehabt, er ist ein großartiger Fahrer. Glückwunsch an Maxi Götz zum DTM-Titel.“
Sophia Flörsch (ABT Audi R8 LMS #99): „Der Norisring war ein positives Wochenende. Startplatz 13 war eine gute Ausgangsposition für das letzte Rennen. Am Ende sind wir insgesamt Neunte geworden. Es hat mich extrem gefreut, beim Saisonfinale noch einmal Punkte eingefahren zu haben. Für Kelvin tut es mir leid. Es war ein hartes Kopf-an-Kopf-Rennen, und das Team hat einen mega Job gemacht. Seine Zeit wird kommen. Ich selbst habe in diesem Jahr aus der DTM sehr viel mitgenommen. Ich hatte viele schlechte, aber auch gute Tage. Mal schauen, wie es weitergeht. Ich habe das letzte Wochenende sehr genossen. Der Norisring ist eine tolle Strecke.“