Alles im Blick
15 Jahre Kicker-Profi, 15 Jahre Vereinsmanager: Der ehemalige Mittelfeld-Regisseur Horst Heldt scheut auch als Meinungsstarker Teamarchitekt keine Zweikampfhauptsache, das Ergebnis stimmt.
Übersicht zu haben und unter Druck zu bewahren zählt zu den Talenten, die dem gelernten Kfz-Mechaniker Horst Heldt eine bemerkenswerte Laufbahn im Profifußball ermöglicht haben. Als Mittelfeldspieler und als Manager bei je vier Bundesliga-Klubs gewann er tiefe Einblicke in das umkämpfte Business. Durchblick wie nicht sehr viele in der Branche hat er deshalb, samt Erfahrungsschatz und Netzwerk. Für den Moment genießt Heldt zwar die Rolle des Beobachters. Aber als er auf ein paar verbale Doppelpässe bei den ‚Äbten‘ in Kempten vorbeischaut, sagt er: „Meine Karriere ist noch unvollendet.“Ausbildung im Handwerk, Aufstieg im Fußball, so ein Werdegang mit Hand und Fuß ist heute selten. Wie wertvoll das für ihn war – auch davon erzählt Heldt bei seinem Besuch. „Wenn es irgendwann mal nichts mehr werden sollte mit einem Job im Fußball, fange ich hier bei euch an“, scherzt er, als Sportmarketing-Chef Harry Unflath ihm die Tuningwerkstatt zeigt. „Wobei: ich kann ja nichts mehr. Zu meiner Zeit sahen die Motoren ganz anders aus. Wenn ich jetzt unter eine Haube schaue: Wahnsinn, wie sich das entwickelt hat, was die Mechaniker heute draufhaben müssen! Ich habe größten Respekt, weil ich weiß, was sie leisten müssen, weil ich diesen Beruf selbst erlernt habe.“
Erfolgsfaktor Disziplin
Ende der Achtzigerjahre war das, in Köln, wo Heldt neben der Lehre in einer Autowerkstatt beim 1. FC Köln kickte, Profi wurde. Handwerkliches Geschick, fußballerisches Können – welches größer war, kann man ahnen. „Die Lehre war ein Glücksfall für mich, ich möchte sie nicht missen“, sagt Heldt. „Es war zwar eine harte Schule, aber ich habe gelernt, wie wichtig Disziplin ist. Und dass jeder Einzelne seinen Job zu hundert Prozent machen muss, damit das Große und Ganze funktioniert. Dazu gehört auch, Anweisungen zu befolgen, deren Sinn man nicht direkt erkennt.“ Als Kfz-Azubi wurde Heldt mal zum Autowaschen verdonnert, erinnert er sich. „Aber es regnete, und ich dachte: was soll das? Als ich beim Meister nachfragte, sagte er nur: ‚Dann verbrauchst du wenigstens kein Wasser‘. Im Ausbildungsplan stand das sicher nicht, aber es war lehrreich.“ Auch dieses: „Im Pausenraum lagen immer Zeitungen auf dem Tisch. Die BILD und der EXPRESS. Ü Damals lasen wir noch Zeitung auf Papier, so lange ist das her“, erzählt Heldt: „Über die Geschichten wurde diskutiert, über den FC natürlich auch, bei dem ich Spieler war. Schon damals habe ich erkannt, wie wichtig es ist, mit den Medien zusammenzuarbeiten, weil man durch sie die Fans erreicht, die sich ihre Meinung bilden.“ Im Prinzip, meint Heldt, funktionieren Fußballklubs kaum anders als Firmen. Mit Zielen, mit Teamwork, aber auch mit klar definierten Hierarchien. Intensiv tauscht Heldt sich an diesem Nachmittag auch darüber mit seinen Gastgebern aus, mit Hans-Jürgen Abt, Thomas Biermaier und Harry Unflath.
Ohne Mut und Leidenschaft kein Erolg
„Ich finde es faszinierend, wie euer Familien-Unternehmen aufgebaut wurde und es sich immer weiter entwickelt, auch gegen Widerstände“, sagt Heldt. „Ihr seid stets in der Lage, euch neu zu erfinden. Allen voran Hans-Jürgen, habt ihr den unternehmerischen Mut, nicht zuletzt im Sport, eure Visionen zu verwirklichen, ob in der DTM, beim Einstieg in die Formel E, oder neuerdings in der Extreme E. So habt ihr es geschafft, über Jahrzehnte in allen Bereichen erfolgreich zu sein. Von euch kann man sich viel abschauen.“ Tatsächlich gebe es sehr deutliche Parallelen zum Fußballgeschäft, stellt Heldt fest: „Allein die drei Autos in der DTM, Fahrer, Mechaniker, Ingenieure, die Boxen-Crew – ich finde es extrem interessant, wie Thomas als Sportchef eure Teams auf Top-Niveau führt, damit auch unter Druck alle Rädchen ineinandergreifen. Jeder Fehler ist teuer, kann entscheidend sein. Und im Sportmarketing und Sponsoring gilt Harry im ganzen Land als absolute Koryphäe“, sagt der frühere Nationalspieler. „Es passt einfach alles bei euch. Und man spürt diese Leidenschaft, dass alle dafür brennen, was sie tun.Der Wir-Gedanke, Teamwork, wird bei euch großgeschrieben. So stelle ich mir zielgerichtetes Arbeiten vor.“ „Jeden Euro, den wir in den Motorsport investieren, haben wir selbst erwirtschaftet, schon immer“, wirft Harry Unflath ein. „Aber wisst ihr, was das Schönste ist?“, nimmt Heldt den Ball auf. „Bei allem Erfolg seid ihr bodenständig geblieben, großzügig, herzlich. Professionalität und harte Arbeit einerseits – aber zum Lachen geht ihr nicht in den Keller! Ihr versteht, das Leben zu genießen!“
Heldt und Abt: Family & Friends
Heldt weiß, wovon er spricht. Nicht das erste Mal ist er Gast der ‚Äbte‘, ob in Kempten, an der Rennstrecke oder beim Golf (Handicap: 23,0). Kennengelernt haben sie sich 2007 über einen gemeinsamen Freund, Jochen Schneider. Damals war Heldt in der Führung des VfB Stuttgart dessen Kollege. Als Deutscher Meister hatte Schneider eine Abordnung des 2004er- und 2007er-DTM´Champions nach Bad Cannstatt eingeladen – Harry Unflath und Thomas Biermaier vom Audi-Team ABT Sportsline. „Wir wollten euch nur die Schale stibitzen“, lacht Biermaier jetzt. Der Fußball-Audi-Meister-Gipfel, ausgerechnet beim Mercedes-Klub VfB, war der Beginn einer neuen Freundschaft. Heldt beschreibt sie so: „Da ist große Verbundenheit und Selbstverständlichkeit, ohne Verpflichtungen oder Gegenleistungen. Es hat zum Beispiel nie eine Rolle gespielt, welches Auto ich fahre. Ich durfte hinter die Kulissen schauen, DTM-Rennen direkt aus der Box verfolgen. Das waren tolle Erlebnisse und wertvolle Erfahrungen. Ich fühle mich wie ein Mitglied der ABT Familie, zumindest aber ‚Family and Friends‘ zugehörig.“
Der Vfb ist Wendemarke und Meilenstein
Stuttgart ist für den gebürtigen Rheinländer Meilenstein und Wendemarke seiner Laufbahn. Dass er in der Schwabenmetropole seine Profikarriere auf Spitzenniveau beenden konnte, dort als Manager starten und diese Laufbahn bei Schalke 04 fortsetzen konnte, wäre ohne einen Mann jedoch nicht möglich gewesen: Felix Magath! Heldt, damals 33, ließ seine Fußballer-Karriere bei Sturm Graz in Österreich ausklingen, als sich im Winter 2002/2003 überraschend Magath bei ihm meldete. Er war schon von 1999 bis 2001 bei Eintracht Frankfurt Heldts Trainer gewesen und brauchte dringend noch einen erfahrenen Profi, der die sogenannten „Jungen Wilden“ des VfB Stuttgart mit führen konnte. Kuranyi und Lahm, Hinkel und Hleb, solche Jungspund-Namen standen damals auf den Trikots mit dem roten Brustring, und bald auch der Name von „Oldie“ Heldt. „Eigentlich war meine Karriere vorbei – und plötzlich wurde ich mit dem VfB 2003 Vizemeister und spielte erstmals in der Champions League. Verrückt!“, erzählt Heldt mit sichtlicher Begeisterung. „Unser 2:1 gegen Manchester United war das absolute Highlight. Wir erreichten sogar das Achtelfinale. Unvergesslich!“ 2004 ging Magath zum FC Bayern, Heldt beendete im Januar 2006 seine aktive Laufbahn und wurde – gefördert von VfB-Präsident Erwin Staudt – zunächst Sportdirektor in Stuttgart. Armin Veh, von ihm engagiert, gewann 2007 auf Anhieb die Meisterschale. 2009, nach abermaliger Qualifikation für die Champions League (mit Trainer Markus Babbel), rückte Heldt in den VfB-Vorstand auf.
Auf Schalke und zwischen den Stühlen
Und wieder meldete sich Magath mit einem Angebot. Er war inzwischen Trainer mit Vorstandssitz beim FC Schalke und holte Heldt 2010 für die Ressorts Sport und Marketing. Ein Wechsel, an dem das langjährige, nahezu freundschaftliche Verhältnis der beiden beinahe für immer zerbrochen wäre. Heldt geriet „auf Schalke“ mitten in den sich zuspitzenden Grundsatzstreit zwischen Magath und Clemens Tönnies. Der Trainer wollte seine Vizemeister-Mannschaft verstärken, der Aufsichtsratschef bei den Königsblauen einen Sparkurs fahren. Im Zentrum des Zoffs: Manuel Neuer, den Magath nicht an Bayern verkaufen wollte – Tönnies aber sehr wohl. Es kam, wie es kommen musste: Magath wurde im Frühjahr 2011 freigestellt, trotz eines 1:0-Sieges im DFB-Pokalhalbfinale bei Bayern. Heldt übernahm dessen Vorstandsaufgaben, holte als neuen Trainer Ralf Rangnick (der den DFB-Pokal gewann) und wickelte schließlich den 30-Millionen-Euro-Transfer Neuers nach München ab. Inzwischen kann Horst Heldt von der Versöhnung mit Magath erzählen. „Das war mir sehr wichtig. Es war damals ein total verfahrener Konflikt, mit vielen Fallen. Mich hat das jahrelang belastet, weil ich Felix sehr viel zu verdanken habe und ihn sehr schätze. Als ich dann bei Hannover 96 war und einen Trainer suchte, habe ich all meinen Mut zusammengenommen und ihn angerufen. Zwar ist er nicht Trainer geworden, aber wir haben uns getroffen und ausgesprochen. Allein das zeigt seine Professionalität und menschliche Größe.“
Held-Grundsatz: Mensch bleiben, auch wenn´s hart wird
Generell, sagt Heldt, gelte überall, wo es um Erfolg und Geld geht: „Es muss klare und manchmal harte Entscheidungen geben. Mal trifft man sie, mal muss man sie akzeptieren, wie ich zuletzt in Köln. Wichtig ist: Es geht um Menschen. Man sollte sich immer irgendwann wieder in die Augen schauen können. Und sich selbst im Spiegel.“ Als Heldt anlässlich seines 52. Geburtstags im Dezember gute Freunde zum Essen mit Privat-Vorführung des neuen James-Bond-Films ins Hotel Bayerischer Hof in München einlud, kamen Bruno Labbadia, Thorsten Fink, Jens Keller, Harald Cerny, Gerhard Zuber – und auch Felix Magath! „Für welchen von deinen Ex-Vereinen schlägt dein Herz am meisten?“, will Hans-Jürgen Abt wissen. „Eine gemeine Frage“, antwortet Heldt. „Ich würde sagen, mein Herz ist teilbar. Im Fußball zumindest. In Köln bin ich groß geworden. In München bei 1860 wurde ich Nationalspieler und habe meine Frau Bettina kennengelernt. Unser Sohn Paul wurde hier geboren, München ist unser FamilienMittelpunkt. In Frankfurt hatte ich eine tolle Zeit, in Stuttgart und auf Schalke meine größten Erfolge. In Hannover haben mich die Menschen, die Mitarbeiter, mit ihrer Leidenschaft für den Klub überrascht und beeindruckt.“
Zukunft des Fußballs im Blick
„Und kannst du uns verraten, was als nächstes kommt?“, hakt der ABT Boss nach. Horst Heldt steht auf der Galerie in der ABT Zentrale, lässt den Blick schweifen. Dann sagt er nicht ohne Stolz: „Im Moment genieße ich das Familienleben. Dass ich täglich erleben kann, wie Paul heranwächst. Er ist jetzt zwölf, spielt an der Bayerischen Fußball-Akademie – ohne, dass ich was dazu beigetragen hätte.“ Und er fügt hinzu: „Aber natürlich beobachte ich das Geschehen, ich führe Gespräche und mache mir Gedanken um den deutschen Fußball. Wir brauchen eine ehrliche Diskussion, wie die Bundesliga in Zukunft aussehen soll. Ich bin zum Beispiel total gegen Playoffs. Aber ich will an Lösungen mitarbeiten. Das wird auch so kommen, meine Karriere ist noch unvollendet.“ Womöglich könnte auch künftig das eine oder andere Fachgespräch mit den ‚Äbten‘ zur Vollendung beitragen …