FOREVER YOUNG
Der Herbst 1983 ist auch bei ABT Tuning heiß. Nicht wie in der Politik wegen der Proteste gegen das atomare Wett rüsten zwischen Ost und West, sondern wegen des Andrangs beim Umrüsten der ersten Modellgenerati on des seit 1976 gebauten VW Golf GTI. „Fast täglich brachten uns morgens um sieben zwei Kunden ihr Auto, nachmitt ags um fünf holten sie es mit ABT GTI-Power wieder ab“, erinnert sich Hans-Jürgen Abt. Der geschäft sführende Gesellschaft er von ABT Sportsline ist damals als frisch ausgebildeter Spediti onskaufmann und Automechaniker ganz neu im Kemptener Familienbetrieb. „Ich habe vor allem den Markt und den Wett bewerb sondiert, Bauteile geordert und sie fotografi ert. Aus all den Infos habe ich einen der ersten Tuningkataloge der Branche zusammengestellt“, berichtet Hans-Jürgen Abt. Ob Marketi ng oder Technik: Innovati ves Geschäft ist bei ABT immer oberstes Gebot. Auch und gerade mit dem GTI.
GOLF-POTENZIAL FRÜH ERKANNT
Rückblende zur Internati onalen Automobil-Ausstellung (IAA) in Frankfurt 1975: Ein Jahr nach der Markteinführung des Käfer-Nachfolgers Golf präsenti ert Volkswagen eine Sportversion seines neuen Publikumslieblings. Verkaufsstart 1976. GTI lautet der neue Modellname. Die drei Buchstaben stehen für Gran Turismo Injekti on. Also für ein PS-starkes, sportliches Automobil, bei dessen Motor das Benzin nicht kraft raubend in einem Vergaser mit Luft gemischt, sondern effi zient in die Ansaugkrümmer eingespritzt wird. Genau solch einen „bezahlbaren“ Sportwagen hat Johann Abt, Hans-Jürgen Abts Vater, seinen Kontakten im Konzern zuvor schon lange empfohlen. Die winken aber stets ab.
Also schreitet Johann Abt Mitte der 70er-Jahre selbst zur Tat. Der fesche Golf mit seinem sportlichen Schrägheck bietet für die Abt’sche Idee konzernseitig eine viel bessere optische Basis als der Audi 80 mit seinem klassischen Limousinen-Look. Der brave Konzernbruder ist aber unter der Motorhaube besser ausgestatt et. Johann Abt bringt zusammen, was in seinen Augen unbedingt zusammengehört und setzt mit einem raffinierten Bauteile-Cocktail einmal mehr Tuning-Maßstäbe: Er verpflanzt in den 1,6-Liter-Motor des Golf die K-Jetronic-Einspritzanlage aus dem Audi 80 GTE. Dazu den Zylinderkopf des Audi 80 GT mit seinen ausgesparten Brennräumen. Plus hauseigene Kolben, bei deren Entwicklung Professor Franz Josef Huf von der Technischen Hochschule Konstanz den „Äbten“ zur Seite steht. Ergebnis der so erhöhten Verdichtung und verbesserten Verbrennung des 1,6-Liter-Reihenvierzylinders: 120 statt 75 PS. Ein echtes Brett. Und ein Selbstgänger bei der leistungshungrigen Kundschaft der Kemptener. Aber dann bringt VW 1976 fast zeitgleich doch noch selbst einen Golf nach Allgäuer Rezeptur auf den Markt. Der Wolfsburger GTI hat zwar nur 110 PS, lässt sich dank Serienproduktion aber deutlich günstiger einpreisen als das Manufaktur-Produkt von ABT.
Also muss ABT die GTI-Idee nachschärfen, um den Abstand zum Serienmodell wieder zu vergrößern. Der erste richtige ABT Golf GTI folgt 1977 und wird sogar zum Porsche-Carrera-Schreck. Hans-Jürgen Abt erklärt das Rezept 44 Jahre später so präzise, als sei es noch heute sein Tagesgeschäft: „Wir haben den Hubraum des serienmäßigen Vierzylinders durch eine um 1,5 Millimeter größere Bohrung von 1,6 auf 1.7 Liter erhöht. Die neuen Ein- und Auslasskanäle haben unsere Spezialisten per Maschine vorgefräst und dann per Hand poliert. Alles picobello! Dazu kamen größere Venti le, 40 Millimiter Durchmesser beim Einlass, 35 Millimeter beim Auslass. Keine Frage: Vor allem bei den GTI der ersten Generati on ging bei uns handwerklich voll die Post ab.
Hans-Jürgen Abt ist noch nicht ferti g: „Eine schärfere Nockenwelle mit 296 Grad kam auch rein, eine Kurbelwelle aus dem VW Ilti s, die den Hub auf 86,5 Millimeter steigerte, ein leistungsfähigerer Zündverteiler und eine verstärkte Kupplung.“ Ergebnis: 135 PS. Schließlich wurde noch die Übersetzung des Diff erenzials angepasst auf 3,47 : 1. Arbeitszeit für diese große Technik-OP: rund eine Woche. Im Vergleichstest in Hockenheim schafft der ABT Golf 1 GTI auf Anhieb die gleichen Rundenzeiten wie ein Dreiliter-Carrera von Porsche. Das lässt die junge GTI-Gemeinde in aller Welt feiern und die Sportwagen-Experten in Zuff enhausen grübeln.
MIT TURBOLADER AUF 177 PS
Die finale GTI-Spaßstufe der ersten Generati on zündet Johann Abt 1982 mit seinem sogenannten Breitbau. „Vaters Meisterstück“, wie Hans- Jürgen Abt stolz anmerkt, ist eine 5XL-Muskeltyp wie Kinoheld Rambo. Fünf statt vier Gänge sortieren den Antrieb. Vier 205er-Schlappen rotieren in riesigen Radhäusern an den vier Endpunkten des von ABT weiter verhärteten Fahrwerks. Unter der Fronthaube pustet ein KKK-Turbolader ABTs 1,7er auf 163 PS. Das sind fast 50 Prozent mehr Power als beim Serienmodell. Und auch diese Anmerkung ist wichtig: ABT feiert mit dem Golf GTI Motorsport-Erfolge. In den globalen Pokalwettbewerben, die Volkswagen für die erste Generation seines neuen Kultmobils organisiert.
360 PS FÜR GTI-GENERATION 8
Fahrspaß ohne Kompromisse. Nach dieser von der Kundschaft hoch geschätzten Devise behandelt erst ABT Tuning, ab 1991 dann ABT Sportsline jede der bis heute acht Golf-GTI-Generationen. Für Motor, Abgasanlage, Fahrwerk, Felgen, Karosserie und Interieur werden attraktive Alternativen zum jeweils aktuellen Werksmodell kreiert. Und immer reicht in Kempten das Angebot von Einzel- oder Kombinationslösungen bis hin zum Komplettumbau.
Die Faszination Golf GTI wirkt sogar bis in die jüngste Generation der Familie Abt. „Den und keinen anderen wollte ich haben, als ich mit 17 den Führerschein machte“, sagt Daniel Abt. So wird Weihnachten 2009 ein schwarz-silberner ABT Golf 6 GTI das erste Auto des damals aufstrebenden Rennfahrers. Längst ist Daniel Abt auch als Influencer weltweit ein Star. So manches Video hat Hans-Jürgen Abts Sohn seinem Traumwagen von einst gewidmet. Wie das vom traditionellen GTI-Treffen am Wörthersee: Wo Daniel Abt 2017 seine Spritztour im von ABT Fahrwerkspartner H&R ausgestellten ABT Golf 7 GTI Clubsport filmt.
ABT Sportlines aktuelle Golf-GTI-Vorlage ist die achte Generation von VW. Auch dafür bieten die Veredelungsexperten aus dem Allgäu Top-Extras in puncto Power, Handling, Optik. So wird mit dem Hightech-Steuergerät ABT Engine Control (AEC) das elektronische Motormanagement optimiert und das 2,0-TSI-Triebwerk von serienmäßigen 300 auf 360 PS gesteigert. Das ist mehr als das Dreifache an Power wie 45 Jahre zuvor beim Ur-Golf GTI aus Wolfsburg – und wohl kaum der letzte Boost aus Kempten für den ewig jungen Klassiker.