Mit zehn Podiumsplätzen feierte ABT Schaeffler Audi Sport so oft auf dem Podest wie kein anderes Team. Im Interview zieht Hans-Jürgen Abt sein Fazit der zweiten Formel-E-Saison, erzählt von seinen persönlichen Höhepunkten und wagt einen Ausblick auf die Zukunft der Elektro-Rennserie.
Die zweite Saison der Formel E ist Geschichte. Wie fällt Ihr Fazit aus?
„Die Formel E nimmt eine prächtige Entwicklung. Das Team um Alejandro Agag ruht sich nicht auf Erfolgen aus, sondern treibt die Serie mit innovativen Ideen voran. Ein gutes Beispiel ist der neue Kalender, der in meinen Augen ein absolutes Highlight ist. Es wird nie der Weg des geringsten Widerstandes gegangen, sondern immer gemeinsam mit den Teams und Partnern nach der besten Lösung gesucht. Wir sind stolz darauf, ein Teil der Formel-E-Familie zu sein.“
Wie zufrieden sind Sie mit den beiden zweiten Plätzen in der Fahrer- und Teamwertung?
„Mit ein paar Tagen zwischen dem Finale und heute sehr zufrieden. Wir dürfen bitte nicht vergessen, dass die Formel E ein sportlicher Wettkampf auf allerhöchstem internationalen Niveau ist. Wir treten als ABT unter anderem gegen Hersteller wie Renault oder Citroën DS an. In diesem Feld Pokale und Siege zu holen und bis zum letzten Rennen um den Titel zu kämpfen, ist eine außerordentliche Leistung des ganzen Teams und seiner Partner. Wenn man den Titel am Finalwochenende so nah vor Augen hat, braucht man für diese Einsicht ein bisschen Abstand.“
Gerade das letzte Rennen und die Kollision zwischen Lucas di Grassi und Sébastien Buemi haben für viele Diskussionen gesorgt. Ihre Einschätzung?
„Ganz klar ist: Eine Kollision zwischen zwei Titelkandidaten in der ersten Runde des entscheidenden Rennens wünscht sich niemand – wir nicht, die Konkurrenz nicht und die Fans auch nicht. Hinzu kommt, dass Lucas ohne Zweifel einer der umsichtigsten Fahrer im Feld ist – sonst hätte er in der Saison nicht achtmal auf dem Podium gestanden. Klar ist aber auch: Er musste im letzten Rennen ein höheres Risiko eingehen, um gegen Sébastien Buemi eine Chance zu haben. Auch für diesen Kampfgeist genießt er bei seinen vielen Fans ein hohes Ansehen. Deshalb war es das Ziel, Nicolas Prost schnell zu überholen. Dabei hat er ihn berührt und ist dann mit Buemi kollidiert. Die Kollision war unglücklich, aber die Meisterschaft ist nicht durch sie entschieden worden. Ich glaube, alle wären gut beraten, Séb und Renault zum Titel zu gratulieren und Lucas für eine seiner stärksten Saisons überhaupt wertzuschätzen.“
Daniel Abts drittes Podium beim Finale ist in dem Trubel fast ein bisschen untergegangen. Wie beurteilen Sie seine Leistung?
„Natürlich waren seine Gedanken auch bei Lucas und dem Titelkampf, aber ich bin mir sicher, er hat das Bad in der Menge auf dem Podium trotzdem genossen. Der Champagner war hochverdient, denn er hat einmal mehr ein starkes Wochenende gezeigt. Dreimal auf dem Podium in diesem Jahr, zwei zweite Plätze – ich wünsche mir für ihn, dass der erste Sieg nicht mehr lang auf sich warten lässt.“
Was war Ihr persönlicher Höhepunkt in dieser Saison?
„Das Rennen in Long Beach mit Lucas’ Sieg und Daniels drittem Platz. Es war unser erstes Doppel-Podium in der Formel E, aber was viel wichtiger war: Es war ein perfektes Comeback nach der Disqualifikation von Lucas in Mexiko nach einem Fehler des Teams. Jeder stand unter enormem Druck und hatte sich insgeheim vielleicht schon aus dem Titelrennen verabschiedet – und dann haut die Mannschaft so ein Ding raus und legt drei Wochen später in Paris mit dem nächsten Sieg nach. Das waren Momente, die sehr emotional und besonders waren.“
2014/2015 zweimal Dritter, jetzt zweimal Zweiter – was muss passieren, damit es in der nächsten Saison mit dem Titel klappt?
„Zum Glück ist Erfolg im Sport nicht planbar – in keiner Disziplin. Wir müssen unsere Hausaufgaben im Sommer machen und das fängt damit an, für Daniel und Lucas ein siegfähiges Auto zu entwickeln. Daran arbeiten wir gemeinsam mit Schaeffler und anderen Partnern bereits hart. Schon nächste Woche geht es wieder nach Südeuropa zu Testfahrten. Und dann gilt es für uns alle – Fahrer und Team gleichermaßen –, an jedem einzelnen Rennwochenende einen Null-Fehler-Job zu machen. Ich erwarte einen noch engeren Fight im kommenden Jahr und noch mehr Teams, die um Siege und den Titel fahren werden.“
Wie sieht der Zeitplan Ihres Teams bis zum Saisonstart aus?
„Oktober klingt noch so weit weg, aber tatsächlich laufen die Vorbereitungen bereits auf Hochtouren. Ich bin glücklich, dass wir ein paar wichtige Punkte schon abgehakt haben: Unser ABT Schaeffler FE02 ist bei der FIA homologiert worden, unsere Fahrerpaarung mit Daniel und Lucas steht, die wichtigsten Partner wie Schaeffler sind weiter mit an Bord. Einige interessante Gespräche führen wir gerade, sodass ich denke, es könnte noch die eine oder andere gute Nachricht geben. Es folgen Testfahrten inklusive der offiziellen Termine in Donington und eine kleine Präsentation unseres Teams im September – und schon sitzen wir wieder im Flieger nach Hongkong ...“
... wo am 9. Oktober die neue Saison startet. Wie gefällt Ihnen der gerade veröffentlichte Kalender?
„Ich finde ihn großartig. Viele haben gedacht, Rennen mitten durch Paris oder Berlin seien nicht zu toppen. Und jetzt bestreiten wir unser Finale tatsächlich in den Straßen von New York. Auch Locations wie Montreal oder Marrakesch sind beeindruckend, Berlin und Monaco werden wie immer grandios werden. Wir freuen uns auf die nächste Tournee mit der Formel E.“