Kerniger Kletterer
Eigentlich lautet des Bulli-Fahrers Motto: „Geht nicht gibt’s nicht.“ Aber selbst dem multitalentiertesten Auto geht mal das Können aus. Zum Beispiel im Tiefschnee. Ist die weiße Pracht mehr als knietief, helfen selbst Syncro-Allrad und Ketten nicht mehr. Raupen aber schon. Das muss sich der Wiener VW-Mechaniker Kurt Kretzner gedacht haben, als er Ende der 1960er-Jahre einen T1 Bulli zum Schneemobil umgebaut hat.
Historische Quellen sagen, er sei ein begeisterter Skifahrer gewesen. Ihm fiel auf, dass es in den Bergen Österreichs einen Mangel an hochgradig geländegängigen Transportern gab. Solchen, die für jedermann leicht zu fahren waren und doch zur höchsten Alm locker emporsteigen konnten. „Ein idealer Helfer für jeden: Hüttenwirt, Jäger, Förster, Arzt, Wartungspersonal von Liftanlagen, Fernseh- und Rundfunkanlagen, Pipelines und dergleichen“, wie Kretzner später in den Verkaufsunterlagen zum Raupen-Fuchs schrieb. Dass es solche gab, unterstreicht, wie überzeugt der Tüftler von seiner Idee war. „Am Anfang schaute ich mich um, konnte aber den Wagen, von dem ich träumte, nicht finden. Also beschloss ich, ihn mir selbst zu bauen.“ So, wie es einst Ferry Porsche gesagt und getan hatte, machte es auch Kurt Kretzner.
Mehr als vier Jahre konstruierte und baute der Erfinder den Gipfelstürmer. Zwei „Füchse“ entstanden wohl bis 1968, beim dritten stockte dann die Produktion. Was aber überlebte, war mindestens ein Exemplar des Raupen-Fuchses, ebenjenes, das VW Nutzfahrzeuge nun wiederbelebt hat.
WENDIG UND STEIGFÄHIG WIE EINE GAMS
Unter die orangefarbene Karosserie seines Raupen-Fuchses hatte Kretzner vorn eine gelenkte Doppelachse mit grobprofilierten Zwillingsreifen und hinten eine ebenfalls doppelte Achse mit Kettenantrieb gepflanzt. Kretzner wollte einen Kettenwagen bauen, der sehr einfach zu steuern sein sollte. Exakt aus diesem Grund entschied sich der Mechaniker nicht für eine Lenkung über Ketten auf allen Achsen wie bei einer Planierraupe, sondern für eine Halbkette (nur auf den Antriebsachsen) und eine fast normale, wenn auch doppelt ausgeführte Vorderradlenkung. Und so bewarb der Erfinder den Raupen-Fuchs auch: „Das neue, ideale, leicht zu bedienende Raupen-Fahrzeug, mit dem Sie sicher und bequem jedes schwierige Gelände meistern. Schnee, Sand, Steine, Almwiesen, Moore, kleine Bäche und Wälder können Sie mit diesem Gerät befahren.“ Durch die doppelte Vorderachslenkung ergab sich auch ein Wendekreis von unter zehn Metern – fast schon die Kehre um sich selbst.
Die Kraft des 34-PS-Boxermotörchens reichte immerhin für 35 km/h. Gesehen wurde der Raupen-Fuchs über die Jahre selten. 1985 tauchte der T1 ein letztes Mal in Wien auf. Ende 2018 kam das Unikat schließlich in die Sammlung von Volkswagen Nutzfahrzeuge Oldtimer und wurde aufwendig restauriert. Im Frühjahr 2022 war es dann endlich so weit: Der Raupen-Fuchs zog wieder seine Bahnen durch den Schnee. Geht doch!