"Ich sage was ich denke - und nicht das, was andere hören wollen." Mario Basler
Der Fußball ist seine Bühne. Früher im Stadion, heute im Studio. Und am Filmset. "Profifußball ist Showgeschäft, nichts anderes, das habe ich schon immer so gesehen", sagt der 53-Jährige, den Fans und Medien seit seiner aktiven Zeit "Super Mario" nennen. Wegen seiner Spielkunst. Und nach dem Helden in einem Videogame, das damals populär war. Basler ist es noch immer.
"Ich habe das große Glück, auch heute noch das machen zu können, was mir Spaß macht, worauf ich Lust habe." Spricht´s und drückt das Gas pedal durch.
Es ist Sonntag früher Nachmittag und der 30-malige Nationalspieler hat Feierabend. Knapp zwei einhalb Stunden heiße Diskussionen in der Kultsendung Doppelpass auf Sport1 liegen hinter ihm, live gesendet aus dem Münchner Flughafenhotel Hilton in rund eine Million TV Haushalte. Vor ihm liegen jetzt 630 Kilometer Heimweg. Eigentlich. Doch Basler wählt heute ausnahmsweise nicht die direkte Variante, sondern den Umweg.
ABT Sportmarketing Chef Harry Unflath hatte seine Assistentin Sabrina Vehoff nach München geschickt, in einem ABT RS6-R. Unwiderstehliche 740 PS, limitiert auf 125 Stück. Fast ein Unikat - wie Basler selbst. Und der darf das Power-Auto jetzt fahren.
Das Ziel: Kempten, die ABT Zentrale wohin Unflath ihn eingeladen hat. Seinen Kumpel Thorsten Klein nimmt Basler mit, der ihn später auf der langen Heimfahrt mal ablösen wird, und seinen Manager Wim Vogel. Es war nicht leicht einen Termin zu finden in Baslers dicht gefülltem Kalender.
Seit 14 Jahren gehört er zum Expertenteam von Sport1, tritt im Doppelpass auf, im Fan Talk und an deren Sendungen. Mit dem Doppelpass on Tour, der Talkrunde im Bühnenformat, ist der frühere Standard-Experte auf Tournee durchs Land, wie auch mit seinem Stand-up-Bühnenprogramm Basler brennt, dem zweiten schon nach Basler ballert. "Ich glaube, was die Leute an mir schätzen, ist: Ich bin geradeheraus, ich bin ehrlich, ich sage was ich denke und nicht das was andere hören wollen. Ich bin unabhängig, ich muss niemandem nach dem Mund reden. Wer glaubt er sei der Größte, aber nur Mist spielt, der bekommt von mir auf den Deckel", erzählt er, als er im ABT VIP Meetingraum "Edelschmiede" mit Unflath bei Kaffee und Kuchen plaudert. Und er schickt einen typischen Basler Spruch hinterher: "Das muss nicht jedem gefallen - Hauptsache mir gefällt´s." Zahlreichen anderen Menschen aber offenbar auch. Weil Basler ihre Sprache spricht, direkt, deutlich, nicht selten derb. Mit unverwechselbar rauchiger Stimme und Pfälzer Dialekt. Basler ist in Neustadt an der Weinstraße geboren und aufgewachsen. Längst häufen sich die Anfragen jenseits des Sports. Für mehrere TV Spielshows stand und steht Basler immer wieder vor der Kamera. Für die Pro7-Reihe Die Job Touristen ließ er sich in Frankfurt per Crashkurs zum Hotelkaufmann ausbilden und in Cancun, Mexiko zum Rettungsschwimmer. Mit seiner Lebensgefährtin Doris Büld trat er bei Mein Mann kann bei Sat.1 auf, zog mit ihr auch ins Sommerhaus der Stars (RTL).
Basler immer und überall. Ziemlich für jeden Spaß zu haben Unterhaltungswert: unverändert hoch. Fast automatisch erscheinen Bilder im Kopf, wie er in Kaiserslautern mal einem Fotografen den Pepita-Hut mopste aufsetzte - und dann eine Ecke trat. Oder mitten im Spiel gegen die Bayern einfach so aus Jux eine Pirouette auf dem Ball drehte... Nur logisch, dass einer wie er eine eigene Fanartikel Kollektion vertreibt. Tassen, T Shirts, Kappen mit seinem Konterfei und typischen Sprüchen Marke Mario: "Eigentlich bin ich ein super Typ."
"Ich habe mich früh entschieden nach meiner Fußball Karriere öffentlich präsent zu bleiben. Das ist nicht sehr vielen meiner früheren Mitspieler gelungen", sagt er: "Und ganz ehrlich: Das ist doch Luxus! Ich fliege dahin wo andere Urlaub machen, lerne interessante Dinge und Leute kennen und werde dafür gut bezahlt. Und das Beste: Ich muss das nicht tun ich kann mir aussuchen was ich mache. Viele Anfragen lehne ich ab, weil´s nicht passt."
Basler ist sehr interessiert, Neues kennenzulernen über den Tellerrand und hinter die Kulissen zu blicken. Wie jetzt in Kempten. Als Roger Köhler, Teammanager von ABT Sportsline, ihn an diesem Sonntag durch die Motorsportabteilung führt, löchert Basler ihn und Unflath mit Fragen: "Was kostet eine Saison in der DTM?", "Wie groß ist das Team?", "Wie viele Reifen verbraucht ihr?" und "Wer entscheidet über die Taktik?". Er staunt über die Zahlen, die er zu hören bekommt, und als Unflath erklärt, dass der Ingenieur maßgeblich sei für die Rennstrategie. "Sieh dir mal bei uns bei einem Rennen alles an."
Basler sagt: "Ich schaue gerne Motorsport, aber noch mehr liebe ich es, selbst Auto zu fahren. Ich mache fast jede Reise mit dem Auto."
Klar, dass er Unflaths RS6-R zurück nach München steuern darf, wo sein privater Mercedes parkt. Basler scherzt: "Wenn du Pech hast, Harry, steige ich nachher einfach nicht mehr aus, nehme dein Auto mit heim nach Osnabrück."
Dort, im Niedersächsischen, wohnt er mit seiner Doris. Baslers Basis. Nicht weit weg von Bremen. Dort bei Werder begann 1993 seine Bundesliga-Karriere und dort holte er auch gleich in seiner ersten Saison seinen ersten großen Titel, den DFB Pokal. Lang ist´s her. Heute trainiert er - wenn er nicht gerade mal wieder unterwegs ist - den Kreisklassen-Club Türkgücü Osnabrück. "Eine gute Truppe, das ist Fußball in Urform", erzählt er. "Wir wollen aufsteigen." Es kommt vor, dass Basler seinen Jungs zeigt, wie man einen Freistoß mit viel Effet in den Winkel zirkelt. Mit ihnen wettet, um eine Kiste Bier: drin, nicht drin? Manchmal läuft er auch selbst noch zu Benefiz-Spielen auf. All das was ihn zu Super Mario machte, beherrscht Basler noch immer. Wie im Schlaf - in die Wiege gelegt eben. "Trainiert habe ich das nie besonders, das hat auch so geklappt. Mal vier, fünf Freistöße nach dem Training, das schon. Aber meist hatte ich keine Lust, extra zu trainieren", erzählt er. Basler hat eine beachtliche Karriere hingelegt, eine, über die manche Experten sagen, dass sie noch größer hätte werden können, wenn er fleißiger und disziplinierter gewesen wäre. Andere sagen: Pech war auch dabei.
Bei der WM 1994 bestritt er für Titelverteidiger Deutschland nur das Auftaktspiel gegen Bolivien, erlebte das Viertelfinal-Aus gegen Bulgarien als Zuschauer. Europameister 1996 wurde er ohne Einsatz - musste nach einem Trainingscrash mit Christian Ziege verletzt abreisen.
"Ach, wisst ihr: Ich bin mit meiner Karriere zufrieden. Ich vermisse nichts", plaudert Basler mit der Gelassenheit des vierfachen Großvaters: "Aber was ich im heutigen Fußball vermisse, sind die Typen, bis auf ganz wenige Ausnahmen. Vielleicht ist das ein Problem im deutschen Fußball, dass unbequeme Spieler wie ich einer war in den Vereinen nicht so gewünscht sind."
In seiner Spieler Vita finden sich tolle Erfolge und herausragende Werte: zweimal Meister (1997, 1999), zweimal Vizemeister (1995, 1998), zweimal DFB Pokalsieger (1994, 1998). Torschützenkönig 1995. Sechsmal erzielte Basler das Tor des Monats. 62 Tore in 262 Bundesligaspielen schoss er insgesamt, 23 gelangen ihm in 128 Zweitligaspielen. "1995/96 habe ich für Werder Bremen sieben direkte Freistöße in einer Saison gemacht. Das war lange Zeit Bundesliga-Rekord", merkt Basler an.
Seine absolute Spezialität aber war der direkt verwandelte Eckball. Das Um-die-Ecke-Schießen. Mit dem rechten Fuß-Innenrist zirkelte er Bälle von der Eckfahne in hohem Bogen ins Tor - ebenfalls für Werder gelangen ihm in einer Saison so drei Bundesliga-Treffer. Und einige im Training. Einer davon bescherte ihm einen freien Tag nach durchfeierter Nacht.
Die Anekdote erzählt Basler in der ABT Edelschmiede auf unnachahmliche Basler-Art.
"Das war so", sagt er und kann sich das Schmunzeln kaum verkneifen. "Ich hatte verschlafen und kam zu spät zum Training. Es war ein schöner Tag, im Cabrio fuhr ich am Platz vorbei, da waren die anderen schon zugange. Ich habe fröhlich aus dem Auto gewunken bin dann auf den Platz. Da lag ein Ball auf der Linie, direkt seitlich auf der Höhe von so einem kleinen Trainingstor. Trainer Otto Rehhagel kam zu mir, sagte streng: 'Herr Basler, wenn Sie den jetzt direkt reinschießen, dann können Sie wieder nach Hause fahren und sich ausschlafen." Basler macht eine kurze Pause, zuckt die Schultern und zirkelt dann die Pointe präzise wie früher die Bälle: "Dann hab' ich den halt reingehauen und bin wieder heimgefahren."
Basler genießt es, dass alle lachen. Darum gleich noch ein Bonmot hinterher.
"Vor einem Heimspiel ist mal eine Italienerin zu mir aufs Hotelzimmer gekommen. Ihr wisst schon. Na ja, und Otto hat uns erwischt. Aber er hat mich trotzdem spielen lassen am nächsten Tag und ich habe gegen Bochum drei Tore gemacht! Otto unter dem ich später auch in Kaiserslautern noch mal gespielt habe, wusste genau, wie er mit mir umgehen muss. Er ist mein prägendster Trainer gewesen, dazu Giovanni Trapattoni und Ottmar Hitzfeld bei Bayern."
So ungefähr läuft das auch bei seinen Liveshows vor Hunderten Fans...
Basler, Sternzeichen Schütze, Berufung Show-Schütze. Ein Genie am (ruhenden) Ball. Der deutsche Beckham. Apropos...
Einer seiner Kunstschüsse hatte das Zeug dazu, eine ganz große Helden-Geschichte zu schreiben: FC Bayern, Champions-League-Sieger 1999. Siegtor: Basler (6. Minute) Doch es kam anders. Tragödie statt Triumph. Innerhalb der letzten Sekunden des legendären Finales in Barcelona drehte Manchester United Bayerns 1:0 in ein 1:2 Sheringham, Solskjaer, schöne Sch... David Beckham schleppte den Henkelpott aus dem Camp-Nou-Stadion, nicht Mario Basler. "Wie lange hattest du daran eigentlich zu knabbern?", fragt Harry Unflath der damals zusammen mit Hans Jürgen Abt als Zuschauer live in Barcelona dabei war: #Du warst ja grad ausgewechselt worden, als die Gegentore fielen."
Basler sagt, wie er es erlebt hat: "Natürlich war das zuerst ein Scheißgefühl, aber ich hatte das schnell raus aus meinem Kopf. Es war nur ein Fußball-Endspiel, das wir verloren haben - es ging ja nicht um Leben und Tod."
Stichwort Endspiel. Am 18. Dezember, Baslers 54. Geburtstag, wird in Doha das WM Finale angepfiffen. "Das hätte ich mir auch nicht träumen lassen", sagt der Mann, dessen letzte Profistation 2003/04 der Club Al Rayyan in Katar war: "Wahnsinn, eigentlich." Unflath will wissen : "Und, was sagst du? Werden wir Weltmeister?"
Die Antwort ist typisch Basler. Nicht unbedingt das was man hören will. Aber geradeaus ehrlich. Er sagt: "Ich bin mir ziemlich sicher, dass wir es nicht werden. Wenn ich jetzt wetten müsste, würde ich sagen Belgien wird´s. Die habe ich schon länger auf der Rechnung."