Überflieger
Autor | Torben Schröder
Fotos | Ralf Lienert
Frei sein wie ein Vogel. Einfach die Flügel ausbreiten und die Welt von oben betrachten – der Traum vom Fliegen beschäftigt die Menschen schon seit Jahrtausenden. Eine relativ einfache Möglichkeit, dieser Erfüllung nahezukommen, bietet das Gleitschirmfliegen. „Ich kann es nur jedem empfehlen“, sagt Tandempilot und Fluglehrer Tobias Böck. „Es ist eine Mischung aus sportlicher Betätigung, Naturgenuss aus einer besonderen Perspektive und tatsächlich dem Gefühl vom Fliegen.“
Ran an den Berg mit ABT Power
Vor-Ort-Termin im Allgäu. Mit dabei: Tobias Böck, Tandemkollege Manuel Nübel, Fotograf Ralf Lienert und Karla Kanz, die Presse- und Marketingdame von ABT Sportsline. Vier Erwachsene, einiges an Fototechnik, zweimal das volle Gleitschirmequipment – ziemlich viel zu transportieren. In nicht gerade wegsamem Gelände. Und da kommt er ins Spiel: der ABT SQ5. Mit seinem großzügigen Stauraum und ordentlich Kletterpower ist er an diesem Tag der ideale Begleiter. Die Location für das Shooting ist die Hörnerbahn, eine Bergstation in Bolsterlang, 45 Kilometer südlich der ABT Sportsline Heimat Kempten gelegen. Die Steigung bis auf mehr als 1.500 Höhenmeter bis zum Startplatz meistert der ABT SQ5 spielend. Oben angekommen, wird der weiße ABT mit seinen schwarz-silbernen Aluminiumfelgen und den roten Bremssätteln promt von den ersten Hörnerbahn-Besuchern in Augenschein genommen. Thermik
Sonnenschein, 20 Grad – perfektes Wetter also, um zu starten, oder? „Die Bedingungen für das Gleitschirmfliegen hängen hauptsächlich von der Windstärke, der Windrichtung und den thermischen Gegebenheiten ab“, erklärt Tobias Böck. „Wenn diese Faktoren optimal sind, kann man ohne Probleme in einen leichten Gegenwind starten.“ Unterschiedliche Orte bieten unterschiedliche Thermiken. Auch die Jahreszeiten spielen dabei eine Rolle. Im Frühling ist die Thermik am stärksten, Richtung Winter schwächt sie ab. „Ambitionierte Piloten fliegen am liebsten im Frühling“, sagt Böck. „Starke Aufwinde bieten dann die besten Möglichkeiten, abwechslungsreiche und lange Flüge zu absolvieren. Bei diesen Bedingungen könnte ein Anfänger überfordert sein. Im Winter sind dann eher ruhige Flüge möglich.“ Des Weiteren wird Flugwetter auch nach der Sicherheit bewertet. Immer gilt: Niederschläge vermeiden. Schon bei leichtem Regen besteht die Gefahr, dass der Gleitschirm seine Flugeigenschaft verändert. Gewitter ist ein absolutes No-Go. Ob sich ein Tag zum Gleitschirmfliegen eignen wird, können Tobias Böck und Co. ein, zwei Tage im Voraus erkennen. Der heutige ist definitiv ein guter.
Ein ebenfalls entscheidender Faktor ist der Startplatz. Gleitschirmfliegen ist hierzulande im Deutschen Hängegleiterverband (DHV) organisiert. Er bildet unter anderem Fluglehrer aus, ist Heimat aller Vereine, veranstaltet Meisterschaften und führt Statistiken. Außerdem lässt er Gelände zu. In Deutschland ist „Wildfliegen“ nicht erlaubt. Zum Abheben müssen offizielle Startplätze genutzt werden. Die Hörnerbahn verfügt über einen. Generell ist das Allgäu innerhalb von Deutschland ein wahres Gleitschirmparadies. Aber auch in Österreich, Frankreich, Italien und in der Schweiz bieten sich den Sportlern zahlreiche Möglichkeiten, ihren Sport auszuüben.
Auf zur Praxis
Vorbereitungen treffen. Das Equipment besteht neben geeigneter Outdoorkleidung im Wesentlichen aus zwei Komponenten. Das Gurtzeug ist der Sitz des Fliegers. Dieses schnallt er sich um den Körper, fixiert an Brust und Beinen. Am Gurtzeug sind über Karabiner die Tragegurte des Gleitschirms verbunden. Der Gleitschirm ist das Segel, das den Flieger in die Lüfte trägt. Gleitschirme sind in der Regel aus einem Nylon-Kunststoff-Mix gefertigt. Je nach Qualität kostet eine neue komplette Gleitschirmausrüstung mindestens 3.000 Euro, gebraucht ab 1.500 Euro.
Es wird sportlich
Das Gurtzeug sitzt, der Gleitschirm liegt entfaltet auf dem Boden, der Wind weht günstig. Position einnehmen und dann heißt es: loslaufen. „Startplätze verfügen immer über ein fallendes Gelände“, sagt Tobias Böck. „Man läuft also zunächst einen Berg hinunter. Ist der Wind stark, braucht man nicht so schnell zu laufen. Ist er schwächer, läuft man schneller. Man zieht den Schirm über die Tragegurte auf. Ist man sich sicher, dass er komplett geöffnet ist, beschleunigt man möglichst noch einmal, bis einen der Gleitschirm in die Luft trägt.“ Prinzipiell befindet sich der Flieger ab sofort im Sinkflug. Gelenkt wird über Bremsseile und Körperverlagerungen. Geübte Flieger können jedoch an Höhe gewinnen. Tobias Böck: „Dazu sind Aufwinde vonnöten. Erstens muss man wissen, wo sich welche befinden, und zweitens muss man diese auch nutzen können.“ So sind teilweise Flüge von mehreren Stunden und Hunderten von Kilometern möglich. Der Weltrekord im Streckenfliegen liegt aktuell bei 564,3 Kilometern. Wie sieht es denn aus mit Risiken? Gilt Gleitschirmfliegen als Extremsportart? „Jeder Outdoorsport bringt gewisse Gefahren mit sich“, so Böck. „Allerdings kann man Gleitschirmfliegen mit dem nötigen Respekt sehr sicher betreiben. Auch im Luftverkehr gibt es Regeln, an die man sich zu halten hat. Das größte Risiko bringen das Wetter und die korrekte Einschätzung über das eigene Können mit sich.“
Auch für die Landung sind in Deutschland im Idealfall vorgeschriebene Landeplätze zu nutzen. Mit der entsprechenden Fluglizenz darf man auch an beliebigen Orten landen. „Der Landeprozess ist ähnlich wie im normalen Flugverkehr“, sagt Tobias Böck lächelnd. „Man geht ein bestimmtes Muster durch. Das eigentliche Auftreffen auf den Boden ist ganz harmlos. Das fühlt sich wie ein Hopser vom Stuhl an.“
Blut geleckt?
Tobias Böck ist Mitinhaber von vogelfrei, einem Unternehmen, das Gleitschirmtandemflüge anbietet, also – ähnlich wie bei einem Tandemfallschirmsprung – das Erlebnis an der Seite eines erfahrenen Profis. „Ich bin früher selbst bei meinem Onkel mitgeflogen. Er betreibt den Sport schon seit den Anfängen“, so Böck. Was anfangs noch ein Hobby war, entwickelte sich zu einem Beruf. Zusammen mit seinem ehemaligen Fluglehrer Michael Gebert baut er die Geschäftsidee aus und bietet Tandemflüge an. Das Konzept findet Anklang, Manuel Nübel schließt sich dem Team an. Ein paar Jahre später fusioniert die Firma mit dem damaligen Konkurrenzunternehmen Flyzone von Rainer Scheltdorf. Böck: „Ein Tandemflug ist total sinnvoll, um mit dem Sport in Berührung zu kommen. Man benötigt keine Vorkenntnisse und keine eigene Ausrüstung.“ Die Kosten belaufen sich je nach Dauer, Distanz und Höhe des Fluges auf 99 bis 325 Euro.
Die Gleitschirmverrückten können sich auch in Wettkämpfen messen. Es gibt unterschiedliche Disziplinen. Beim Akrobatikfliegen führen die Teilnehmer einer Jury möglichst spektakuläre Manöver bis hin zum Überschlag vor, ähnlich wie bei einem Ski-Freestyle-Contest. Bei einer anderen Art des Wettkampffliegens geht es darum, Aufwinde geschickt zu nutzen und dadurch eine möglichst weite Strecke in möglichst hoher Geschwindigkeit zurückzulegen. Immer mehr an Popularität gewinnen sogenannte Hike-and-Fly-Wettkämpfe, bei denen sowohl zu Fuß als auch per Gleitschirm große Strecken zurückgelegt werden – oft über mehrere Tage. Eine der bekanntesten HikeandFlyVeranstaltungen sind die Red Bull X-Alps, bei denen sich im Zweijahresrhythmus 30 der weltweit besten Gleitschirmpiloten messen. Michael Gebert und Manuel Nübel haben jeweils schon mehrfach teilgenommen. „Berg hoch, möglichst weit fliegen, weiterwandern, nächsten Berg hoch, möglichst weit fliegen und so weiter. Das ist echt anstrengend, aber es macht total Spaß“, sagt Manuel Nübel. „Aber das ist logischerweise nichts für Anfänger.“
ABT SQ5
Zylinder: V6 – Turbobenziner
Hubraum: 2.995 ccm
Leistung: 425 PS
Drehmoment: 550 Nm
0–100 km/h: 5,2 Sek.
Vmax: 250 km/h