Vorwärts-Denker

Vorwärts-Denker

HANNES KINIGADNER WOLLTE DIE MOTORRADSPORT-GESCHICHTE SEINER VORFAHREN FORTSETZEN. DOCH SEIT EINEM MOTOCROSS-UNFALL IM JAHR 2003 IST ER GELÄHMT – WAS IHN NUR BEDINGT BREMST. EIN VW BULLI IM DESIGN VON ABT SPORTSLINE HILFT IHM, SEIN LEBEN ZWISCHEN MOTORSPORT, FREIZEIT UND DER KINI BIKE WORLD ZU MEISTERN.

Ein Leben ohne Auto ist für Hannes Kinigadner heute undenkbar. Dabei war genau das die Situation, in der er sich nach seinem Unfall wiederfand. „Die ersten zehn Jahre danach habe ich ohne eigenes Auto gelebt“, erinnert sich der Tiroler. Den Wandel brachte ein VW Bulli der Generation T5, der behindertengerecht angepasst war. Und er fiel durch seinen markanten Umbau von ABT auf. „Seither kann ich mir ein Leben ohne Auto nicht mehr vorstellen. Ich habe dadurch einfach viel Unabhängigkeit gewonnen.“

Diese Unabhängigkeit ist eine Kategorie, die im Leben von Hannes Kinigadner nicht leicht zu verorten ist. Bei einem Motorradunfall während eines Benefiz-Motocross-Rennens brach er sich im Alter von 19 Jahren den fünften Halswirbel. „Ich bin von den Schultern abwärts gelähmt. Von da an kann ich nichts mehr spüren und nichts mehr bewegen. Also nicht meine Beine, nicht meine Hände – nicht einmal einen Finger kann ich rühren“, sagt der Tiroler, der seit 21 Jahren ab dem morgendlichen Aufstehen auf fremde Hilfe angewiesen ist.

Trotz des Schicksals galt für den Spross einer Motorsport-Dynastie: Aufgeben gibt es nicht. Ein halbes Jahrhundert lang hat die Familie Kinigadner den 1 | Dank eines speziellen Umbaus kann Hannes Kinigadner den ABT Bulli vollkommen eigenständig fahren 2 | Die ABT Felge SPORT GR steht dem Bulli perfekt 1 2 Motorsport geprägt, beginnend mit Johann Kinigadner. Der Senior kehrte Anfang der Fünfzigerjahre von der Tiroler Alpenfahrt mit einer ersten Silbermedaille zurück. Seine Söhne Hansi, Heinz und Klaus setzten die Tradition in der Motocross Disziplin fort. Heinz gewann 1984 und 1985 sogar zwei Weltmeistertitel. Und so wie die übrigen Familienmitglieder hat auch Hannes heute noch einen Bezug zum Motorsport.

Neben einer ungebrochenen Reiselust sind es auch berufliche Gründe, die ihn um die Welt führen. Um mit den Produkten des Familienunternehmens am Fotos | Arthur Schlander Puls der Zeit zu bleiben, sind Reisen innerhalb Österreichs oder nach Frankreich zu Motocross Wettbewerben ebenso angesagt wie zur Rallye Dakar nach Saudi-Arabien, Langstreckenflüge nach Florida und nach Katar oder ein Besuch der Formel 1 in Abu Dhabi. Hannes Kinigadner scheint kein Weg zu weit. Auf seinem Wunschzettel stehen weiterhin auch die fernen Destinationen Südafrika, Australien und Neuseeland. „Im Winter bin ich gern in Dubai“, bekennt er. „Ich vertrage die europäische Kälte nicht so gut und kann mir nicht einfach selbst einen Pullover überziehen, wenn es mich friert. Auch das Fahren im Schnee ist mit einem Rollstuhl schwierig. Ich bin froh über warme Gefilde. Dubai hat im Winter ein Super-Klima, hat viel zu bieten und wird auch immer authentischer.“

ZU LANDE, IN DER LUFT ODER AUF DEM WASSER: HAUPTSACHE ACTION

Doch der heute 41 Jahre alte Zillertaler beschränkt sich beim Sport nicht nur aufs Zusehen. Er ist zu Lande und manchmal sogar zu Wasser und in der Luft aktiv. Ein Ausflug in die Höhe gestaltete sich vor einiger Zeit zu einem kleinen Abenteuer. Ein Freund überredete ihn 2021 zu einem Tandem-Paraglidingflug. „Der Sprung war etwas waghalsig, weil der Wind nicht ideal war“, erinnert er sich. „Als wir losgelaufen sind und ich rechts und links von meinen Freunden getragen wurde, war mir beim Blick nach unten schon etwas mulmig. Aber es hat funktioniert und war am Ende ein ganz lässiger Flug.“ Auf dem Wasser entdeckte Kinigadner bei einem Urlaub in Florida eine völlig neue Art der Freiheit. „Ich konnte mit dem Rollstuhl problemlos auf ein Pontonboot fahren. Ich hatte eine ideale Position am Steuerstand und konnte so das Boot aus dem Rollstuhl heraus steuern.“

„Der Tandem Fallschirmsprung war etwas waghalsig.“

Hannes Kinigadner

Richtig wild wird es, wenn sich der Österreicher zu Lande in einem besonderen Offroad-Buggy festschnallen lässt. Sein Can-Am Maverick leistet rund 240 PS. Dieses sogenannte Side-by-Side-Car dient Kinigadner als fahrbarer Untersatz bei abenteuerlichen Offroad-Wettfahrten wie der Hellas Rally in Griechenland oder der Baja Portalegre in Portugal. Er fährt auch die Oasis-Rallye in Tunesien, die von den „Kinis“ selbst organisiert wird. Anfänger sehen dort, wie so etwas funktioniert und worauf es im Rallyesport ankommt. „Zehn Jahre nach meinem Unfall nahm ich zum ersten Mal selbst an einer Rallye teil. Beim Start zur Hellas Rally in Griechenland rutschte mir vor Aufregung erstmals nach zehn Jahren wieder das Herz in die Hose. Ein unvergleichliches Gefühl“, beschreibt Kinigadner seine Offroad-Abenteuer. „Von der Küste bei heißen Sommertemperaturen ging es bis hinauf ins schneebedeckte Gebirge. Absolut cool. Ich hätte vorher kaum gedacht, so etwas einmal erleben zu können.“

Doch nicht nur per Verbrennungsmotor zieht er durch die Welt. Das Handbike ist ein Fortbewegungsmittel, bei dem ein Elektromotor die Muskelkraft beeinträchtigter Sportler ideal unterstützt. „Es ist eines der besten Trainings“, findet er. „Ich kann diese Sportart jederzeit daheim machen. Wenn es das Wetter zulässt, bin ich eigentlich jede Woche mit dem Handbike unterwegs.“ Auch bei Veranstaltungen sieht man „Kini“ damit, ob beim Eddy Merckx Classic in Fuschl am See oder dem Sellaronda Bike Day in den Dolomiten.

Ein besonderes Anliegen bleibt für die Familie Kinigadner die Stiftung Wings for Life, welche zusammen mit Red Bull nach dem Unfall von Hannes gegründet wurde mit dem Ziel, Querschnittlähmung heilbar zu machen. Ein wichtiges Instrument ist dafür der World Run, wo Hunderttausende Spitzensportler, Hobbyläufer oder Spaziergänger weltweit gleichzeitig teilnehmen und alle Startgelder zu 100 Prozent in die Rückenmarksforschung fließen. Mittlerweile kamen bereits über 50 Millionen Euro zusammen. Wie jedes Jahr hat Vater Heinz Kinigadner seinen Filius im Rollstuhl beim Wings for Life World Run geschoben, diesmal über die beachtliche Distanz von 9,9 Kilometern. „Mein Vater steht immer hinter mir und unterstützt mich. Wie auch alle anderen Teilnehmer hinter der Forschung stehen“, bekennt der Sohn. „Der World Run ist etwas Besonderes und ein einzigartiges Erlebnis.“ Auch seine Erwartungen in die Forschung sind ungebrochen. Er ist begeistert von den Fortschritten mehrerer aktueller Vorhaben. Eines dient der verbesserten Beweglichkeit der oberen Extremitäten bei Tetraplegikern, bei denen alle vier Gliedmaßen von der Lähmung betroffen sind. Ein zweites Projekt untersucht die Entlastung der Nervenbahnen bei Schwellungen im Bereich der Wirbelkörper, ein drittes Projekt dient dem Nervenwachstum.

FORSCHUNG FÜR DIE ZUKUNFT

Der Unfall von Hannes Kinigadner motivierte seine Familie, zusammen mit Red Bull die Stiftung „Wings for Life“ ins Leben zu rufen. Ihr Ziel ist es, eine Heilung für Querschnittslähmung zu finden. Seit 2004 fördert die gemeinnützige Initiative deshalb Forschungsprojekte und klinische Studien rund um den Globus. Informationen zur Stiftung und ihren spannenden Forschungsprojekten unter: wingsforlife.com

Wer Themen wie Roadbook, GPS Navigation und das Fahren im Sand von Profis erlernen will, ist bei der Oasis Rallye genau richtig. Alljährlich Anfang März können Rallye-Anfänger hier mit der Familie Kinigadner ihr Handwerk unter Anleitung von Profis erlernen. Die Bewegung mit einem Exoskelett empfindet Hannes Kinigadner regelmäßig als hilfreich Fotos | privat oasis-rally.com

MOBIL MIT EINEM EXOSKELETT

Vor einigen Jahren begab sich Hannes sogar selbst auf die Laufstrecke – und zwar mit einem Exoskelett. Mithilfe dieser außen an den Körper angelegten Apparatur, die ihn stützt und Bewegungen maschinell ermöglicht, bewältigte er eine beachtliche Distanz von fast einem Kilometer. „Das ist eine ganz wunderbare Therapie“, freut er sich. „Der ganze Körper wird durchbewegt. Es gibt Druck auf die Knochen, was sowohl für die Gelenke als auch die Gelenkflüssigkeit gut ist. Kreislauf und Blutdruck profitieren ebenfalls. Auch mental ist es sehr wertvoll. Und es ergibt sich ein besseres Körpergefühl, wenn man versucht, sein Gleichgewicht zufinden.“ In seinem Haushalt befindet sich eine solche maschinelle Hilfe, die er regelmäßig nutzt. „Wenn ich damit auf unserem Grundstück an einer bestimmten Stelle vor einer Stufe stehe, sehe ich damit eine Wiese, die ich aus dem Rollstuhl nicht wahrnehmen kann. Das Exoskelett hilft mir also tatsächlich dabei, die Perspektive zu ändern.“

Einen Teil des Alltages von Hannes Kinigadner füllt auch die Arbeit im Kini-Familienunternehmen aus, der Kini Bike World. Er ist für das Design der Motorradbekleidung zuständig und kümmert sich um Marketing und Vertrieb. Die Kini Bike World erhält viel Zuspruch und bietet allen Motorsportfans mit der jährlichen Veranstaltung „Kini Fullgas“ beste Unterhaltung. Gut 7.000 bis 8.000 Menschen pilgern inzwischen nach Wiesing, um dieses Festival mit Ausstellungen, Trial Shows, Flugshows, Showruns mit Motorrädern, NASCAR-Autos und Attraktionen für Kinder sowie Gastronomie zu genießen.

Wer so viel unternimmt, muss sich auf zuverlässige Unterstützung verlassen können. Ein wichtiger Weggefährte im Alltag von Hannes Kinigadner ist sein aktueller VW Bulli mit einem speziellen Umbau für Menschen mit Handicap. „Er ist für alle meine Wünsche einfach das perfekte Auto. ABT Sportsline hat das Fahrwerk, die vordere und hintere Schürze, den Heckspoiler und die Felgen beigesteuert. So schaut der Bulli auch noch richtig gut aus und macht einfach viel Gaudi“, bekennt der vitale Tiroler, dessen Lebensmut einfach ansteckend ist.